wo ich wohne

Bei gutem Wetter sehe ich von meinem Küchenfenster aus die Jurakette. Manche sagen, mein Kühlschrank sei zu klein. Aber man isst ja auch weniger, wenn die Luft gut ist. Morgens werde ich vom Staubsaugen im Hausflur geweckt, oder von der Schule nebenan. Manchmal schlafe ich so lange, dass ich mich ärgere, wenn ich aufwache. Wenn ich weiß, dass mich diesmal die zweite Hofpause geweckt hat, nicht die erste, nicht das Ankommen der Schüler um acht Uhr. Ich weiß es, ohne auf den Wecker gesehen zu haben, der steht so, dass man ihn vom Bett aus nicht sieht, mir ist es lieber so, und man braucht es auch gar nicht. Wegen der großen Fenster braucht man den Wecker nicht, man erkennt es am Licht.

Wenn die Sonne scheint, fängt sie sich auf meiner Terrasse. Es ist eine kleine Terrasse mit Fliesen in einer komischen Farbe. Die Plastikstühle sind fast alle vier kaputt, mit großen Rissen in der weißen Sitzfläche. Ich setze mich auf meiner Tagesdecke vom Bett auf den Boden und finde, dass es eigentlich zu warm ist für Januar, Februar, März oder Juni. Das warme Wetter hatte ich mir nicht so vorgestellt. Man denkt an Alpen und es friert einen gleich, aber dann sitzt man auf seiner Terrasse und findet es überhaupt nicht kalt, im Gegenteil, so viel wärmer als anderswo.

Ich setze mich im Pyjama auf die Terrasse und hoffe immer, dass meine Nachbarn jetzt nicht rauskommen, auf ihre Terrasse, oder gucken, auch nicht die von oben, von ihrem Balkon aus. Ich sitze in meinem Pyjama auf der Tagesdecke und trinke Kaffee aus einer grünen IKEA-Tasse, der Henkel ist eigentlich zu klein, das denke ich immer.

Ich habe eine kleine Rose, eine sehr kleine Rose, ich weiß nicht, wie man das nennt, Zierrose vielleicht, die ist in einem kleinen Blumentopf, ich habe sie geschenkt bekommen, vor zwei Monaten ungefähr. Sie steht meistens auf meinem Küchentisch, aber bei gutem Wetter stelle ich sie raus. Dann steht sie da, in der Terrassenecke in der Sonne, und sieht mir beim Kaffeetrinken zu. Ich will mich dann nicht wie der kleine Prinz fühlen, vielleicht pflege ich sie deswegen nicht sehr regelmäßig; seit ich zwei Wochen im Urlaub war, blüht sie nicht mehr.

Ich habe nie gesagt, dass man sich aussuchen kann, wo man leben will. Man sucht sich aus, wo man dann tatsächlich lebt, im besten Falle, und dann ist man da und trinkt dort seinen Kaffee. Man könnte es auch woanders tun, und genau das macht die Spannung aus, zwischen Wohnen und Wollen, meistens. Wie sehr man will, wo man wohnt, wie sehr man wohnt, wie man will.

Der Regen wäscht die Kreide von meiner Terrasse, bunte Kreide, nur da, wo sie von dem Balkon über mir überdacht ist, bleibt ein bisschen übrig, von dem blauen Kaninchen, den Blumen und dem russischen Spruch, von dem ich nicht weiß, was er bedeutet. Ich stehe am Fenster und beobachte den Regen, wie er in die Hecke fällt und auf meine Terrasse, auf das flache Schuldach – die Jurakette sieht man nicht.

 

 

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