"Roméo et Juliette" an der Opéra de Lausanne

In einer kleinen Stadt wie Lausanne rechnet man wohl nicht mit einem echten Opern-Highlight. Und so überrascht es auch nicht, dass Arnaud Bernards Inszenierung von Gounods Oper Roméo et Juliette harmlos, aber auch unspektakulär daher kommt. Ein Plus gibt es für Bühnenbild und Kostüm (siehe "Galerie photos" hier), die Bernard und der Verantwortliche Bruno Schwengel geschickt zwischen sterilem Weiß und Romeo-und-Julia-Kitsch oszillieren lassen. Damit gelingen ihn nicht nur einige sehr eindrucksvolle Bilder, sondern auch der schwierige Spagat zwischen den Opern immanentem Pathos und moderner Distanziertheit. Aber eben dieser Spagat gelingt Bernard leider nur optisch. Die schauspielerische Leistung der Darsteller kann in keiner Szene wirklich überzeugen, die Choreographie ihrer Bewegungen verbleibt in holzschnittartiger Altbackenheit. Einzig die große Fecht- und Kampfszene (Verantwortlicher: Pavel Jancik) zwischen den Capulets und den Montaigus gleich zu Beginn der Oper besticht durch Präzision und Ausgefallenheit. So authentisch und formvollendet wird auf Opernbühnen wahrscheinlich nur selten gekämpft.

Gruppenauftritte gehören tatsächlich zu den Stärken dieser Inszenierung: Es sind die Chorpassagen (Leitung: Véronique Carrot), die auf der Gesangsebene fast am meisten überzeugen. Davon abgesehen sind die Hauptgesangsrollen, vor allem der Roméo (Tenor: Teodor Ilincai), eher schwach besetzt; nur der Page Stéphano (Mezzo-Sopran), gesungen von Antoinette Dennefeld, bietet tatsächlich eine erfrischende Überraschung: Man wünscht sich, es würde nicht bei dem einen großen Solo bleiben, denn das singt sie überraschend schön, sauber und ausdrucksstark.

Die größte Überraschung des Abends ist aber wahrscheinlich, dass es tatsächlich eine Sängerin ist, die diese Inszenierung schließlich doch in ein echtes, unerwartetes Opern-Highlight verwandelt, durch die sich der Besuch dieser Oper mit wenig interessantem Libretto (aber sehr schöner Musik) doch wirklich lohnt: Maria Alejandres singt die Juliette. Man ist Gounod so dankbar, dass sich eine Partie für den lyrischen Koloratursopran an die andere reiht, dass man sie immer wieder hören kann, diese umwerfende Maria Alejandres, die von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Ton an diesem Abend mit Präzision und Leidenschaft in der Interpretation brilliert (brilliert!), besonders in den kaum mehr zu erreichenden Höhen. Selten hat man einen so konstanten Koloratursopran gehört: Alejandres' Vortrag bleibt während des ganzen Abends frei von jeder kleinsten Unsicherheit, Abweichung, Faiblesse – kein Warmsingen, keine Erschöpfung. Die Männerrollen, die Juliette umgeben, können an diesem Abend nur noch abfallen. Es ist so unglaublich, dass eins ganz klar wird: Diesen Namen muss man sich merken. Falls man irgendwann wieder das Glück hat und sich zufällig gerade – in der richtigen Kleinstadt herumtreibt.

 

PS: Einen kleinen Eindruck von Maria Alejandres bekommt man hier, wobei man ihr an diesem Abend, der auch schon zwei Jahre zurückliegt, vergleichsweise ihre Nervosität anhört. Die blog-suisse-Redaktion bittet, das abzuziehen und vor allem den Enthusiasmus an dieser Stelle zu entschuldigen - aber wann hört man schon mal eine solche Opernsängerin?

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