übers zurücklassen

Wenn man es zu Hause schön hat, dann fällt es einem schwer, von zu Hause wegzugehen. Es sind vielleicht die kleinen Dinge, die man ungern zurück lässt: die Lieblingshausschuhe, die Kaffeemaschine, die schönste Ausgeh-Bluse. Es sind vielleicht die Dinge, von denen man dachte, sich niemals trennen zu können: das Klavier, die Katze, die Sammlung seltener Schmetterlinge aus dem Amazonasgebiet. Aber es kommt der Moment, in dem der Koffer gepackt werden muss, und es passt nichts mehr rein oder höchstens noch die falschen Dinge, die Dinge, die einem doch eigentlich gar nicht wichtig sind: ein Hygienespray, ein Geschirrhandtuch, eine Rolle Toilettenpapier. Man steht schon in der Tür und sieht noch einmal zurück auf den Teppich, wo die Dinge gestapelt sind, die auch im Koffer sein sollten, aber nicht durften, nicht konnten, jetzt auf dem Teppich gestapelt bleiben, bis man wieder – nach Hause kommt.

Doch wenn man erst mal an dem Ort ist, den man in Zukunft oder zumindest für eine bestimmte Zeit „zu Hause“ nennen wird, dann wird einem klar, dass das Zurücklassen dazugehört, dass man nirgendwo ankommen kann, wenn man sein ganzes Leben mitgenommen hat. Denn Lücken können nur geschlossen werden, wenn es sie tatsächlich gibt. Und vielleicht ist das das ewige Paradox eines Austauschstudenten: Ja, man vermisst die Dinge. Man vermisst seine Freunde. Seine Familie. Und doch – will man nicht im neuen Zuhause aufwachen, und sie alle stehen vor der Tür. Will man nicht den neuen Briefkasten aufschließen, und der quillt über von Paketbenachrichtigungen. Benachrichtigungen über Pakete, in denen die Dinge vom Teppich sind. Man kann ein Leben weder in einem Koffer mitnehmen, noch in einem Paket nachschicken. Und so traurig einen das manchmal werden lässt, ist es doch das, was den Auslandsaufenthalt vom Exil scheidet: Man wählt das Zurücklassen freiwillig.

Und so eröffnet dieses Zurücklassen neue Möglichkeiten: vielleicht zum einen, aus-zuloten und ganz neu zu entscheiden, was einem wichtig ist. Vielleicht zum anderen, neue Dinge zu finden, die einem wichtig sind. Aber vor allem – irgendwann nicht nur ein Zuhause zu verlassen, sondern auch nach Hause zurückzukehren.

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Kommentare: 1
  • #1

    Theseus (Donnerstag, 07 Oktober 2010 00:45)

    Diese buddhistischen Worte wecken meine Gedanken.
    Aber vielleicht hat man mit IKEA eine Familie, die man immer in der nähe hat.